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Lea Moser

Digitale «Ordnungsfrau», die logisch denken kann.

Portrait von Lea Moser

Weiblich und jung, keine Cordhose und keine Hornbrille: Bis auf die Tatsache, dass sie langweilige Codes liebt, ist an Lea nichts «typisch Nerd». Die quirlige Programmiererin lebt in ihrem Job ihren Ordnungsfimmel aus und weiss sich auch in einer reinen Männerrunde zu behaupten.

Lea ist Jahrgang 1997 und stammt ursprünglich aus Gossau, SG. Eigentlich wollte sie Journalistin werden, ihre Lehre als Mediamatikerin absolvierte sie darum beim Tagblatt. Beim anschliessenden Multimedia Productions Studium an der FHGR entdeckte sie ihre Liebe zum Programmieren und ist nun glücklich in ihrem Job als Webentwicklerin. Ihre Hobbys sind: Programmieren. Und Fussballschauen – zum Runterfahren.
Ein Interview von Mena Dressler

Was genau ist dein Beruf?

Ich bin Webentwicklerin in einer Agentur in Chur. Viele meinen, dass man beim Programmieren den ganzen Tag nur Texte runter schreibt, aber ganz so ist es nicht. Codes schreiben macht nur etwa 10% meiner Arbeitszeit aus. 50% sind Fehlersuche – und hässig sein. (lacht) Und während der restlichen Zeit schreibe ich Handbücher und Dokumentationen, wie man die Tools nutzt, das mache ich sehr gerne. 

Neben meinem Beruf unterrichte ich auch noch Programmieren an der FHGR. Ich wurde nach meinem Studium angefragt, ob ich als Lehrbeauftragte arbeiten möchte. Ich darf gewisse Lerninhalte mitgestalten, aktuell bereite ich etwas zu Datensicherheit auf, das finde ich sehr spannend.

Wie reagiert dein Umfeld auf deinen Job?

Die meisten finden es sterbenslangweilig und laufen sofort davon, wenn ich irgend etwas erzähle. Wenn mich also jemand anspricht, mit dem ich keine Lust habe zu reden, dann muss ich nur sagen, was ich mache, und schon bin ich ihn los. (lacht)

Welche Vor- oder Nachteile gibt es deiner Meinung nach als Frau in deinem Job?

Im Kontakt mit Kunden habe ich manchmal das Gefühl, dass es als Frau ein bisschen schwieriger ist, ernst genommen zu werden. Wenn man mit Männern – und es sind praktisch nur Männer – in der Runde sitzt und über hochkomplexe Sachen redet, dann habe ich das Gefühl, dass man als Frau noch ein paar Argumente mehr auf den Tisch hauen muss, damit sie merken, dass man es auch wirklich verstanden hat. Aber das kann ich dann auch (lacht) – und dann passt das wieder.  

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich so jung bin oder dass die Agentur recht neu ist? Also Frau und jung plus neu auf dem Markt – das sind manchen Kunden vielleicht zu viele Unsicherheitsfaktoren.

An der FHGR ist es aber ein Vorteil, dass ich so jung und eine Frau bin. Das Team dort besteht hauptsächlich aus Männern – aus älteren Männern. Die Studierenden sind oft froh, wenn sie jemand fragen können, der ihnen vom Alter näher ist. Und die Studentinnen reden bei gewissen Problemen meistens lieber mit einer Frau als mit einem Mann. Ich erfülle auch eine wichtige Vorbildfunktion: Junge Menschen, die programmieren lernen, sehen, dass es nicht nur «klassische Nerds» sind, die den Job machen, sondern dass es auch junge Menschen in dem Beruf gibt. 

Einen weiteren grossen Vorteil hat man als Frau in dem Beruf: Man findet viel leichter einen Job. Viele Agenturen suchen Frauen, da sie ein ausgeglichenes Team haben möchten. Da es fast nur Männer in diesem Beruf gibt, habe ich als qualifizierte Frau natürlich viel bessere Chancen.
Selfie von Lea im Web-Browser, daneben sieht man einige Zeilen Code in den Developer-Tools.
Leas Lieblingsbeschäftigung: Codes schreiben.
Lea mit etwa 1.5 Jahren mit einem Handy am Ohr.
Lea hatte schon als kleines Kind eine Vorliebe für technische Dinge.

Hast du in deinem Job-Alltag mit Vorurteilen zu kämpfen? Und wenn ja, mit welchen?

Was ich so von grossen Agenturen oder Konferenzen hören, da ist das Klima Frauen gegenüber teilweise schon etwas toxisch. Aber bei mir im Agentur-Alltag überhaupt nicht. Wir sind so ein kleines Team und ich bin die Lauteste im Büro, da müssen die Männer nicht extra noch Rücksicht nehmen. (lacht)

Wie begegnest du diesen Vorurteilen?

Ich sag einfach, was ich denke. Wenn es um’s Programmieren geht, habe ich eine sehr klare Meinung. Bei uns in der Agentur bin ich die jenige, die alle pusht, dass sie sauber und strukturiert programmieren. Deswegen habe ich für den Bereich auch die Verantwortung bekommen, und ich drücke es so durch, wie ich es haben will.

Gibt es ein Vorurteil bezüglich deines Jobs, mit dem du gerne aufräumen würdest?

Wahrscheinlich gibt es schon viele, die der Meinung sind, Frauen können nicht logisch denken. (lacht) Oder die Leute verwechseln Programmierer mit Gamer und denken, dass wir auch nächtelang vor dem Computer sitzen? Aber ich bin nicht in einer Programmier-Community oder so etwas. In meinem privaten Umfeld programmiert sonst niemand, keiner von meinen Kollegen versteht, was ich erzähle, sie finden es einfach saulangweilig. Ich glaube, das Klischee mit den Nerds in Bundfaltenhosen und Hornbrillen gibt es so nicht mehr, aber Programmieren ist für die meisten so unnahbar, dass sie es wie gesagt einfach langweilig finden.

Was ist das für dich das Spannendste an deinem Job, was begeistert dich?

Ich habe einen Ordnungsfimmel und finde es super, dass ich den in meinem Job ausleben kann. Ich denke sehr logisch und bin sehr strukturiert. Wenn ich ein schön sauber aufgeräumtes File habe, das klar aufgebaut ist und genau das macht, was es soll, dann macht mich das glücklich.

An der FHGR versuche ich, den Studierenden meinen Ordnungstick zu vermitteln. Dass sie also nicht einfach irgendetwas zusammenbasteln, sondern dass alles immer schön aufgeräumt und logisch ist.

Was ist das Schlimmste an deinem Job?

Fehler in Projekten von anderen suchen und beheben – das ist katastrophal. Jeder programmiert anders, in Files von anderen versteht man überhaupt nichts – und ich mit meinem Sauberkeitsfimmel hab’ bei Projekten von anderen immer das Gefühl, bei ihnen sieht es aus wie Sau. (lacht)

Was hat dich dazu bewogen, Webentwicklerin zu werden?

Eigentlich wollte ich während des Studiums die Vertiefung Public Communications wählen, aber die ist nicht zustande gekommen. Dann habe ich eben Programmieren gewählt, das hat mich auch interessiert. Also hat mich das Richtige gefunden.
Lea mit ihrem Computer auf dem Schoss auf einem Stuhl sitzend.
Egal, wo Lea steht, geht oder sitzt: Der Laptop muss immer dabei sein.

Was ist deine treibende Kraft? Worin liegt deine besondere persönliche Stärke?

Mein Ordnungstick. Aufräumen und dann Ordnung halten – das ist mein Ding, und das kann ich in meinem neuen Verantwortungsbereich in der Agentur ausleben, das ist super. Programmieren ist ein bisschen wie Rätsel lösen, und das ist etwas, das mir Spass macht.

Warum gibt es so wenig Frauen in deinem Beruf?

Gute Frage. (überlegt recht lange) Es ist ja nicht so, dass Frauen das nicht können. Aber ich glaube, es liegt daran, dass Kindern schon von klein auf gesagt wird: «Buben können Mathe, Mädchen können Sprachen». Das ist jetzt sehr vereinfacht und etwas übertrieben – aber mit dem wächst man irgendwie auf, und ich glaube, das ist immer noch so. Programmieren hat mich zwar interessiert, aber früher hiess es, Programmieren ist Mathe und logisch denken und das können nur Buben – also bin ich davon ausgegangen, dass es nichts für mich ist, weil ich ja schlecht in Mathe war. 

In der Schweiz muss man sich mit etwa 14 Jahren entscheiden, was man machen möchte und sich eine Lehrstelle suchen. Dabei ist man in dem Alter noch gar nicht reflektiert genug, um so eine weitreichende Entscheidung zutreffen. Ich habe mit 14 in einer Bank geschnuppert, mich aber gegen den Beruf entschieden, weil man dort hohe Schuhe tragen muss. Mit 14 Jahren entscheidet man aufgrund von so dummen Sachen! 

Noch ein Grund, warum nicht viele programmieren: Zu meiner Zeit war das in der Schule kein Thema, man ist nie damit in Kontakt gekommen. Ich weiss nicht, wie es heutzutage ist, aber zu meiner Zeit hatte man gar nicht die Möglichkeit, herauszufinden, ob man vielleicht gut darin wäre. Die Kinder in der Schule müssten viel früher damit in Berührung kommen – alle Kinder, Buben und Mädchen – damit auch die Mädchen eine Grundlage haben, sich vielleicht für den Weg zu entscheiden.

Würdest du nochmal den gleichen Beruf wählen?

Auf jeden Fall, Programmieren ist meine grosse Leidenschaft. Aber jetzt würde ich nicht mehr den Umweg über Mediamatik und Media Productions nehmen, sondern direkt Informatik studieren. (lacht)

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Schau dir die Agentur an, in der Lea arbeitet.
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